Aktuell besetzen die Menschen von „Trans Kids Deserve Better“ die Zentrale des National Health Service in London. Im Juli haben wir während ihrer ersten Besetzung ein Interview mit ihnen geführt und haben unter anderem über die Gründe für die Besetzung und wie darauf reagiert wurde gesprochen.
Was ist der Grund für die Besetzung der Zentrale des National Health Service (NHS)?
Die Situation für trans Menschen in Großbritannien ist im Moment schlecht. Als trans Kinder wird uns die Gesundheitsversorgung verweigert, man verweigert uns die Selbstbestimmung und die Wahl zu Entscheidungen, die uns betreffen. Man nimmt uns unsere Würde in den Medien und im Bildungswesen, man benutzt uns als politisches Druckmittel in Kulturkämpfen, in denen wir selbst keinen Platz haben. Und das haben wir nicht verdient, wir haben etwas Besseres verdient, also haben wir beschlossen etwas zu tun. In Großbritannien gibt es derzeit zu wenig Protestaktionen für trans Menschen und das wollten wir ändern, wir wollten uns die Stimme zurückholen, die uns genommen wurde. Wir haben uns für die NHS-Büros entschieden, weil die Gesundheitsversorgung so ein großes Thema ist. Trans Kinder stehen ewig auf der Warteliste, während wir Dysphorie erfahren und es wird uns verwehrt, selbst über unsere eigene Gesundheit zu entscheiden.
Wir mussten uns dazu äußern, weil es eine vorherrschende Darstellung gibt, die gegen trans Personen und deren Gesundheitsversorgung gerichtet ist, aber wir haben eine Stimme verdient, die sich nicht gegen uns richtet.
Was sind eure Forderungen?
Wir fordern, dass wir mit Respekt und mit der gleichen Würde behandelt werden wie cis Kinder. Wir verdienen eine zugängliche geschlechtsangleichende Gesundheitsversorgung ohne die derzeit endlosen Wartezeiten, unter denen trans Kinder leiden. Wir fordern auch, dass unsere Regierung uns vor deadnaming und misgendern schützt, dass wir als echte Menschen mit echten Erfahrungen behandelt und gehört werden, welche in die Gesetze einfließen sollten, die über uns gemacht werden. Wir weigern uns, als politische Spielfiguren benutzt zu werden, um Stimmen für britische Politiker:innen zu gewinnen.
Wie seht ihr die aktuelle Entwicklung der Rechte von trans Menschen in Großbritannien und weltweit?
Bei den Rechten von trans Menschen in der ganzen Welt gibt es noch viel zu tun. In Großbritannien haben wir gesehen, dass wir eine Wahl hatten, und obwohl einige Fortschritte gemacht wurden, beispielsweise als die Tories Partei abgewählt wurde, hat die derzeitige Regierung noch viel zu tun und viel zu verbessern, wenn sie sich als ein Land bezeichnen will, das sicher für trans Menschen ist. Es gibt immer noch so viele Leute im aktuellen Kabinett, die den Cass-Review unterstützen, welcher sich als eine extrem fehlerhafte Studie erwies. Es wird so viel mehr Fortschritt und so viel mehr Diskussionsbedarf in Bezug auf die trans-Gesundheitsversorgung, Trans-Rechte und den Schutz von trans Menschen gebraucht. Wir haben den derzeitigen Premierminister kurz vor der Wahl sagen hören, dass trans Frauen nicht in Frauenräumen sein sollten. Das ist eine enorme transfeindliche Bemerkung unserer Regierung. Sie spiegelt den derzeitigen Zustand Großbritanniens wider und zeigt, dass es für trans Menschen im Moment nicht sicher ist. Es gibt so viele Schritte die eigentlich auf der ganzen Welt gemacht werden müssten, doch in vielen Ländern gibt es sogar Rückschritte. Es ist noch ein langer Weg, bis wir sagen können, dass sich trans Menschen sicher fühlen, dass trans Menschen frei leben können, ohne Angst vor Diskriminierung, ohne Angst vor Hass. Und wir werden so lange kämpfen, bis wir sagen können, dass wir friedlich und ohne Angst leben können und dass wir existieren können, weil wir es verdienen zu existieren.
Wie lauten die bisherigen Reaktionen/Rückmeldungen? Wie reagiert der NHS?
Die öffentlichen Reaktionen sind besonders von einer breiten Ignoranz der bürgerlichen Medien geprägt. Was wir als junge trans Menschen getan haben, die mit der Hoffnung und der Freude kämpfen, passt wirklich nicht in das Narrativ, das sie in diesem Land konstruiert haben. Sie haben uns also ziemlich ignoriert, was wirklich schrecklich ist, aber auch bedeutet, dass unsere Räume irgendwie nur uns trans-Menschen überlassen wurden, was wirklich sehr schön war. Ich kenne keinen anderen Ort, an dem trans Menschen ihre Freude und Liebe teilen können und der von cis Personen in irgendeiner Weise infiltriert wurde. Es war wirklich etwas Besonderes, glaube ich. Und was die Reaktionen von NHS England selbst angeht, so haben sie im Grunde nur versucht, uns auszuschließen. Sie sahen sich am ersten Tag unsere Instagram-Stories mit dem offiziellen nhs-Account und dem offiziellen nhs-England-Account an, und dann, eine Stunde später, schlossen sie alle Jalousien im Büro und sperrten die Etage, die zu dem Teil führte, den wir besetzt hatten, mit schwarzem und gelbem Klebeband. Wir erfuhren, dass sie all ihren Angestellten gesagt hatten, sie sollten von zu Hause aus arbeiten und diejenigen, die die nicht von zuhause arbeiten konnten, wurden durch den Hintereingang geschickt, damit sie uns nicht sehen.
Viele Leute haben uns gesagt, dass wir uns mit ihnen treffen sollten, um Dinge zu besprechen, darüber zu reden, was falsch läuft, oder dass wir ihnen konkrete Forderungen stellen sollten, was sie besser machen könnten. Und wir haben als Gruppe beschlossen, dass wir das nicht tun wollen, denn das würde bedeuten, dass sie nicht bereits wissen, was sie falsch machen. Sie wissen, was sie falsch machen, und ich weiß nicht, ob es nur an völliger Inkompetenz oder tatsächlich an Böswilligkeit liegt, dass sie es nicht besser machen und dass sie uns nicht richtig behandeln. Aber ich glaube nicht, dass es ihnen wirklich wichtig ist. Und die Tatsache, dass sie uns komplett ignoriert haben – und ich weiß, dass sie auch andere Proteste gegen ihre Büros in der Vergangenheit komplett ignoriert haben – zeigt, dass sie nicht an uns und unseren Forderungen interessiert sind, sie wollen uns gar nicht zuhören.
Wie können wir unsere Solidarität international zeigen?
Es ist für Alle in allen Teilen der Welt wichtig, einfach laut zu sein. Wenn eine Person Zugriff zu Medien mit einem Publikum, wie eine Zeitschrift oder Kontakt mit einem Influencer hat, sollte daraus schließen, dass darin lautstark Unterstützung für uns bekundet wird und jede Gelegenheit genutzt werden, um die Stimmen von Trans*Personen zu verstärken. Und wenn du selbst eine trans Person bist, dann hab keine Angst davor, dir den Raum zu nehmen. Je lauter wir sind, desto weniger werden wir von transfeindlichen Medien übertönt und desto weniger werden wir in allen Teilen der Welt als politische Spielfiguren benutzt. Solidarität zu zeigen, indem man viel Lärm macht, egal wo man sich auf der Welt befindet, ist ein Statement. Es gibt mehr von uns, als die Leute denken, und wir sind nicht nur bereit, eine Gemeinschaft unter denen zu finden, die zum Beispiel im selben Teil von London leben. Aber wir als trans Menschen und trans Allys werden über Länder hinweg zusammenkommen, um uns gegenseitig zu unterstützen und für unsere Rechte zu kämpfen.