Am 20. Juli 2024 gedenken wir dem 9. Jahrestag des Massakers an 33 Jugendlichen in der kurdischen Grenzstadt Suruç. Wir gedenken 33 jungen Menschen, die von Frieden und Freiheit träumten und bereit waren, sich Krieg und Faschismus entgegen zu stellen.
Das Suruç Massaker
Der 20. Juli 2015 schreibt den Tag, an dem 33 junge Aktivist:innen in Suruç von einem IS Attentäter ermordet wurden. Die kurdische Stadt Suruç befindet sich an der türkisch-syrischen Grenze zur kurdischen Stadt Kobanê in Rojava. Vor neun Jahren waren Mitglieder der „Föderation sozialistischer Jugendverbände der Türkei” (SGDF) auf dem Weg nach Kobanê. 300 Jugendliche reisten aus verschiedenen Städten der Türkei an. Sie wollten im Zuge einer Kampagne helfen, die Stadt wiederaufzubauen, nachdem dort der Sieg gegen den IS errungen wurde – ein Kampf, der die Stadt in Trümmern ließ. So sammelten sie zum Beispiel Kinderspielzeug, welches sie nach Kobanê bringen wollten. Die Jugendlichen befanden sich am 20. Juli 2015 im alevitischen Amara Kulturzentrum für einen letzten Halt und eine Pressekonferenz vor dem geplanten Überqueren der Grenze. Dort verbrachten sie schönen Momente, aßen und tanzten zusammen und führten Gespräche. 33 von ihnen konnten ihren Traum, Kobanê wiederaufzubauen, nicht erfüllen. Er wurde zerplatzt, als der Selbstmordattentäter des IS den Sprengsatz der Bombe zündete und 33 Menschen in den Tod riss und mehr als hundert Menschen verletzte.
Die Rolle des türkischen Staates
Es ist klar, dass der türkische Staat bei diesem Attentat seine Finger mit im Spiel hatte. Schon bevor die Jugendlichen Suruç erreichten, erfuhren sie Provokationen und Festnahmen durch die Polizei. Die Aufmerksamkeit der zahlreichen Sicherheitskräfte galt nicht dem IS Attentäter. Und nach dem Anschlag, verzögerte die Polizei die Versorgung der Verletzten. Bis heute verhindert der türkische Staat die Aufarbeitung und verfolgt alle, die sich für die Aufklärung des Massakers einsetzen.
Der türkische Staat hat nicht das Interesse, gegen den IS vorzugehen. Im Gegenteil: Er profitiert von ihm, denn Kurdistan ist in den Augen Erdoğans AKP Regierung der gemeinsame Hauptfeind. Daher unterstützte der türkische Staat auch immer wieder den IS, schützte seine Anhänger und Kämper, ließ sie die Grenze passieren und ließ ihnen freie Hand bei ihrem Terror in Kurdistan und Syrien. Dies ist außerdem mehr als dunkle Geschichte: Immer wieder werden kurdische Gebiete von der Türkei angegriffen. Vor allem während einer Wahlperiode, wie bei den Kommunalwahlen dieses Jahr, erhöht sich die Anzahl der Angriffe. Dabei flog die Türkei auch mehrmals Angriffe auf Gefängnisse, in denen IS-Terroisten untergebracht waren, und verhalf ihnen so zur Flucht.
Einige Opfer des Suruç-Massakers sind dieselben Aktivist:innen, die zwei Jahre zuvor bei den Gezi Park Protesten in Istanbul teilnahmen. Bei diesen Protesten waren breite Teile der Gesellschaft aktiv, auch die LGBTI+ Bewegung, da der Gezi Park für sie ein Ort des Zusammenkommens und Austauschens war. Die Protestierenden wurden von der Polizei und der faschistischen AKP Regierung mit Gewalt und Repressionen begegnet.
Auch neun Jahre nach Suruç erfahren Demonstrant:innen Repressionen seitens des türkischen Staates, wenn sie ihre Trauer und Wut auf die Straßen tragen. Ihre Demonstrationen werden verboten und von der Polizei angegriffen. Im November 2022 wurden Angehörige der „Initiative der Suruç-Familien“ bei einer Kundgebung in Istanbul gewaltsam festgenommen und die Prozesse werden ohne Grund in die Länge gezogen. Der türkische Staat versucht sie auf diesem Wege einzuschüchtern. Doch sie bleiben standhaft und fordern noch immer die Gerechtigkeit, die ihnen vom türkischen Staat nicht gewährt wird.
Aydan Ezgi Şalcı
Eines der Opfer des Suruç Massakers war Aydan Ezgi Şalcı, die sich viel für die Befreiung von LGBTI+ einsetzte und es sich zum Ziel gemacht hatte, ein Buch zu schreiben, in dem sie Briefe von LGBTI+ Personen sammeln und beantworten wollte. Diesen Wunsch erfüllten ihr ihre Genoss:innen nach ihrem Tod. In dem Buch „Briefe vom Regenbogen an Ezgi“, herausgegeben von ihrer Genossin Loren Elva, erzählen verschiedene LGBTI+ Personen aus der Türkei von ihren Erfahrungen mit Diskriminierung und dem inneren sowie äußeren Kampf dagegen. Das Buch wurde inzwischen auch ins Deutsche übersetzt.
Von Suruç bis Deutschland: LGBTI+ heißt Antifaschismus!
Das Suruç Massaker reiht sich ein in eine bis heute andauernde Serie von Gewalttaten und Morden an Kurd:innen und Aktivist:innen, die gegen die faschistische Erdoğan-Regierung und für die Befreiung Kurdistans kämpfen. Als revolutionäre LGBTI+ und Internationalist:innen müssen wir das Suruç Massaker als einen faschistischen Angriff erkennen und dagegen ankämpfen.
Die Jugendlichen, die in Suruç ihr Leben lassen mussten, waren Antifaschist:innen und LGBTI+ Befreiungskämpfer:innen. Wie wir haben die 33 Jugendlichen, die an diesem Tag ermordet wurden, sich gegen Fachismus und Krieg eingesetzt. Auch wenn uns mehrere tausend Kilometer trennen, haben wir mit den Jugendlichen von Suruç viel gemeinsam.
Gleichzeitig sehen wir, dass faschistische Angriffe wie im Fall von Suruç auch in Deutschland passieren. Vor vier Jahren wurden in Hanau neun Migrant:innen in einer Bar von einem Faschisten ermordet. Die Familien und Angehörigen fordern auch heute noch Gerechtigkeit aufgrund des staatlichen Versagens. In Deutschland sind es Migrant:innen, die zum Feindbild aller Probleme gemacht werden. Es liegt nicht im Interesse des deutschen Staates, Faschisten im eigenen Land zu bekämpfen. Lediglich verfolgt er seine eigenen kapitalistischen und imperialistischen Interessen und benutzt Migrant:innen als Sündenbock, um jegliche Verantwortung von sich weg zu drängen. Genauso macht es der türkische Staat mit Kurd:innen und Geflüchteten in der Türkei.
Wir sehen, wie der Faschismus immer weiter erstarkt. Die gerade stattgefundene Fußball-EM zeigte uns wieder, wie viele Anhänger:innen der faschistischen türkischen Organisation „Graue Wölfe“ auch in Deutschland verbreitet sind und wie hoch das Ausmaß an Gewalt, vor allem gegenüber Kurd:innen, ist, das sie mit sich bringen. Es ist notwendig, gerade mehr denn je, dass wir nicht einfach so tatenlos beim Aufsteigen des Faschismus zusehen. Deshalb ist es wichtig, dass wir uns organisieren und gemeinsam gegen jede Form der Unterdrückung kämpfen.
Ob in Kurdistan oder in Deutschland: unsere Befreiung gibt es nicht ohne den Kampf gegen den Faschismus! Gerechtigkeit für Suruç – Gerechtigkeit für alle!
Auch Pride Rebellion beteiligt sich an Aktionen im Gedenken an das Suruç Massaker:
Berlin, 20.07. 17:30 Uhr, Leopoldplatz
Duisburg, 20.07. 14 Uhr, Hamborn Altmarkt
Frankfurt, 20.07. 17 Uhr, Alte Oper
Kiel (gemeinsam mit PR Hamburg), 20.07. 15 Uhr, Platz der Matrosen
Leipzig, 19.07. 15 Uhr, Rabet
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