Pride Rebellion

Okan Altunöz: Vorbild der Rebellion für alle revolutionären LGBTI+

Heute vor zwei Jahren, am 08.05.2022, wurde die Transfrau und Revolutionärin Okan Altunöz unsterblich. In der Türkei und Kurdistan kämpfte sie für die Befreiung vom türkischen Faschismus, die Befreiung der Frau und LGBTI+. Ihre Transidentität versteckte sie nicht, sondern stieß damit Diskussionen und Entwicklungen an. Dabei war ihr immer klar, dass es ihre Befreiung nicht geben konnte ohne die Befreiung aller Unterdrückten.

Wenn wir aus Kämpfen lernen wollen gibt es keinen besseren Weg als sich die Geschichten derjeniger anzuschauen, die den Weg für eine bessere Welt vor uns gegangen sind. Sowohl aus ihren inneren Kämpfen mit sich selbst als auch den Kämpfen, die sie gegen den Feind geführt haben, können wir für uns selbst viele Lehren ziehen und Motivation schöpfen.

Eine Revolutionärin, die beide Kämpfe stark geführt hat, ist die trans Frau Okan Altunöz, die in den freien Bergen Rojavas gekämpft hat. Okan (Îsyan) wurde 1992 in Ankara, Türkei, als Tochter einer kurdischen und alevitischen Familie geboren. Schon in jungen Jahren begann sie, ihre Geschlechtsidentität zu hinterfragen. Im Jahr 2008, als sie noch zur Schule ging, lernte sie die Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei (MLKP) kennen und nahm an Jugendaktivitäten teil. Nach dem Suruç-Massaker, bei dem 33 Revolutionär:innen durch den IS ermordet wurden, entschloss sie sich, dieses Massaker zu rächen und nach Rojava zu gehen und dort ihren Kampf weiterzuführen.

Während sie sowohl mutig gegen die Angriffe des türkischen Staates kämpfte, führte sie gleichzeitig auch überall den Kampf gegen den Heterosexismus und diskutierte auch mit ihren Genoss:innen über LGBTI+ Fragen. In der Zeitschrift der Kommunistischen Frauenorganisation (KKÖ), deren Mitglied sie war, schrieb sie Artikel und führte Diskussionen über die Ausbeutung des weiblichen Körpers, Hausarbeit, die soziale Situation von LGBTI+ Menschen, die Analyse von Heterosexismus und Geschlechtsbewusstsein. In einem Artikel, den sie unter dem Decknamen Azad Fırat mit dem Titel “LGBTI+ Menschen sind überall” schrieb, wandte sie sich sowohl an ihre Organisation als auch an LGBTI+ Menschen im Umfeld der Organisation und rief LGBTI+ Menschen dazu auf, ihre eigene Selbstorganisation zu gründen.

Kampf dem Heterosexismus an jedem Ort

Okan hat erkannt, dass der Kampf gegen den Heterosexismus ein allumfassender Kampf ist, der an jedem Ort und in allen Gruppen und Organisationen geführt werden muss. Auch mit den Genoss:innen ihrer Partei führte sie Diskussionen über LGBTI+ Fragen und kämpfte überall, wo sie war, gegen heterosexistische Äußerungen und Verhaltensweisen. Es gab viele Momente, wo ihr als trans Frau Steine in den Weg gelegt wurden. Zum Beispiel wenn sie fälschlicherweise mit ihren männlichen Genossen kämpfen musste, statt in den Fraueneinheiten. Doch sie ließ sich davon nicht aufhalten und hat ihren Kampf immer entschlossen fortgeführt.

In einer ihrer Reden sprach sie über ihre persönlichen Erfahrungen und die Frauengenossenschaftlichkeit, die ihr ständiger Motor für ihren Kampf war:
“Wenn ich zu meinen Genossinnen gehe, überlasse ich mich ihnen, damit sie meine Wunden heilen können. Manchmal weine ich stundenlang. Manchmal sitzen wir nur da und kichern. Einige von ihnen verstehen es nicht, einige haben nur Mitleid, aber einige von ihnen verstehen, was ich wirklich fühle. Am Ende weiß ich, dass ich von dort weggehen und in den Krieg zurückkehren muss. Auch wenn es schwerfällt, erinnere ich mich an meine Gründe und tue es.”

Der Kampf für individuelle Freiheit muss ein Kampf für die Befreiung Aller sein

In einem Artikel, in dem sie ihren Prozess der Selbstfindung beschreibt, schreibt sie darüber, wie der Prozess des Kennenlernens ihrer Identität sowohl ein innerer Kampf war als auch ein kollektiver Kampf gegen die heterosexistischen Vorstellungen in der Gesellschaft. Für sie war jedoch klar, dass ihre eigene Unterdrückung tief im System verankert ist und sie ihre eigene Freiheit nur erreichen kann, indem sie für die Freiheit von allen Unterdrückten kämpft. Sie schloss den Artikel mit folgenden Worten: “Der Morgen gehört den Unterdrückten, die mit ihrer Fähigkeit, sich die Zukunft in Farbe vorzustellen, der Albtraum der Bourgeoisie sind. Bewaffnet mit dem Traum vom Sozialismus und der Befreiung von LGBTI+, mit bunten Fahnen!” (frei aus dem Türkischen übersetzt).

Aus ihrem Mut und ihrer Entschlossenheit schöpfen wir Kraft

Während sie in Rojava kämpfte, infizierte sie sich mit dem Covid-19-Virus und wurde im Mai 2022 unsterblich. Okan Altunöz ist in vierlerlei Hinsicht ein Vorbild für uns. Sie hat uns gezeigt, dass LGBTI+ militant sind und nicht nur für sich kämpfen, sondern für die Befreiung aller Unterdrückten. Ihre Entschlossenheit und ihr Kampfgeist lassen uns auch in schwierigen Situationen Mut und Kraft schöpfen. Sie hat es geschafft, trotz allen Steinen, die uns als LGBTI+ oft in den Weg gelegt werden, immer hoffnungsvoll zu bleiben und alle heterosexistischen Verbrechen auch an sich selbst als Antrieb für den Kampf zu sehen. In Rojava ist sie, getreu ihrem Namen Îsyan, der Rebellion bedeutet, zu einem Vorbild der Rebellion für alle revolutionären LGBTI+ geworden.


Beitrag veröffentlicht

in

, ,

von