Pride Rebellion

Der 8. März: Warum „Internationaler Frauenkampftag“?

„Internationaler Frauenkampftag“, „Feministischer Kampftag“, „FLINTA-Kampftag“ – der 8. März steht vor der Tür und wie gewohnt finden wir auf den Plakaten entlang unserer Straßen zahlreiche unterschiedliche Bezeichnungen. Als antikapitalistische LGBTI+-Organisation wollen auch wir uns nun in dieser Debatte verordnen und erklären, warum wir am 8. März für den „Internationalen Frauenkampftag“ auf die Straße gehen. Werfen wir hierfür zunächst einen kleinen Blick in die Geschichte.

Die Geburtsstunde des 8. März

Es war das Jahr 1910 – über 100 Delegierte befanden sich am 26. August in Kopenhagen auf der II. Internationalen Sozialistischen Frauenkonferenz. Wir befinden uns in einer Zeit, in der die Fesseln des Patriarchats eng geschnürt sind – Frauen sind an ihr Zuhause gebunden, an einen Ehemann, der finanziell für sie sorgt, an eine Welt, die ihren Lebensweg vorgibt. Doch der Ruf nach Freiheit konnte nie nur bei einer vagen Hoffnung bleiben, denn es waren zugleich große Zeiten der Aufruhr. Hier waren es vor allem die sozialistischen Frauen, welche im Kampf gegen Kapitalismus und Patriarchat die ersten Schritte gingen. Sie erkannten schon früh die Verwobenheit von Kapitalismus und Patriarchat, sie konnten und wollten diese beiden Kämpfe nicht voneinander trennen. Es war an diesem 26. August 1910, an dem Clara Zetkin, eine deutsche Sozialistin und Vorreiterin der Frauenbewegung, den Antrag auf einen internationalen Frauenkampftag stellte – mit Erfolg.

Bei der Frage “Warum ausgerechnet der 8. März?” lassen sich insbesondere zwei Antworten finden. Zum einen soll der 8. März an einen großen Streik der Textilarbeiterinnen im Jahr 1857 in New York erinnern, welcher brutal niedergeschlagen wurde und die Leben von 129 Frauen kostete. Ein Moment der Frauen auf der ganzen Welt wachgerüttelt hat und in ihnen ein Bewusstsein für den politischen Kampf geweckt hat. Genau 60 Jahre später, am 8. März 1917, schien sich die Geschichte zu wiederholen: Textilarbeiterinnen in St. Petersburg gingen im Streik auf die Straße, doch der Protest weitete sich schnell auf die Gesamtheit der Arbeiter:innen aus und stellte den Beginn der Februarevolution in Russland dar.

Der FLINTA-Begriff

Seitdem – über 100 Jahre später – ist viel passiert. Für uns ist natürlich klar, dass LGBTI+ schon immer existiert haben und somit auch eine breite Geschlechtervielfalt. Die politische und theoretische Auseinandersetzung hat im Konkreten jedoch erst innerhalb der letzten Jahrzehnte stattgefunden. Insbesondere mit der Entstehung der queerfeministischen Bewegung hat hierbei der FLINTA*-Begriff an enormer Popularität innerhalb der linken Bewegung gewonnen. Doch schauen wir uns diesen einmal genauer an: FLINTA* steht ausformuliert für „Frauen, Lesben, inter-, nichtbinäre, trans und agender Personen“ – das Sternchen am Ende des Wortes soll die Bandbreite der restlichen Geschlechter beinhalten. Der Begriff stellt den Versuch dar, ein Sammelbegriff für alle Gruppen zu sein, die vom Patriarchat unterdrückt werden – jedoch ohne Erfolg.

Zum einen wird relativ schnell klar, dass es nicht nur Frauen, Lesben, inter-, nichtbinäre, trans und agender Personen sind, die unter der Unterdrückung des Patriarchats leiden, sondern alle LGBTI+. Zum anderen, und das ist wohl der ausschlaggebende Faktor, wird die Funktion des Patriarchats nicht angemessen eingeordnet. Doch was meinen wir damit?

Über die Funktionsweise des Patriarchats und des Heterosexismus

Wenn wir uns angucken, wie Frauen und LGBTI+ vom Patriarchat betroffen sind, können wir einige grundlegende Unterschiede festmachen. Das Patriarchat ist ein jahrtausendealtes System, welches über die unterschiedlichsten Gesellschaftsformen hinweg existiert hat. Im Kapitalismus, im Feudalismus, in der Sklavenhaltergesellschaft – das Patriarchat ist der älteste Unterdrückungsmechanismus der Welt. Wenn wir nun versuchen wollen, unsere Welt und damit auch die Funktionsweise des Patriarchats zu verstehen, müssen wir in unserer Analyse zwei Unterscheidungen treffen: Basis und Überbau.

Unsere Gesellschaft verändert sich nicht aus dem Nichts, ebenso wie solch tiefgreifende Mechanismen wie das Patriarchat nicht aus dem Nichts entstanden sind. Sondern im Gegenteil: Es gibt ganz grundlegende Faktoren, die dafür verantwortlich sind, dass sich unsere Welt so ist wie sie ist – die Produktionsweise. Die Produktionsweise beschreibt die Struktur, unter der in dieser Welt produziert wird. Beispielsweise fassen wir hierunter die Eigentumsverhältnisse – also wer der Eigentümer der Fabriken, Maschinen, etc. ist. Die Produktionsweise bildet somit die Basis und bezieht sich immer auf die ökonomische Grundlage unserer Gesellschaft – in unserem Falle den Kapitalismus. Wenn wir uns also die Produktionsweise im Kapitalismus anschauen, sehen wir, dass die Produktionsmittel in den Händen einiger weniger liegen und die Arbeiter:innen für diese kleine Menge an Kapitalisten arbeitet. Wie einigen vielleicht schon bewusst sein wird, beruht der Kapitalismus also auf der Ausbeutung der Arbeiter:innen.

Wenn wir jedoch das Patriarchat betrachten, können wir sehen, dass Frauen nicht nur als Arbeiterinnen ausgebeutet werden, sondern auch gezielt als Frauen. Ihnen wird nämlich zusätzlich die Reproduktionsarbeit aufgebürdet. Unter dem Begriff Reproduktionsarbeit fassen wir somit all jene Aufgaben, die sicher stellen, dass die Arbeiter:innen am nächsten Tag wieder einigermaßen fit genug sind, um für die Kapitalisten zu arbeiten. Das beinhaltet unter anderem das Kochen, das Putzen, aber auch die Reproduktion. Denn eins ist für den Kapitalismus klar: Ohne Reproduktion keine neuen Generationen an Arbeiter:innen und somit auch kein Kapital. Auch Personen anderer unterdrückte Geschlechter, wie zum Beispiel nicht-binäre und trans Personen, werden häufig in die Haussklaverei gedrängt, allerdings geschieht dies nicht aufgrund ihrer LGBTI+ Identität, sondern weil das System versucht, sie in das binäre Geschlechtersystem zu drängen. Wir können dies beispielsweise im Falle von Abtreibungsverboten erkennen. Diese betreffen offensichtlich nicht nur Frauen, sondern genauso nicht-binäre, inter- und trans Personen. Jedoch sind letztere nicht aufgrund ihrer LGBTI+-Identität betroffen, sondern weil das System ihre Geschlechtsidentität leugnet, sie als Frauen sieht und dementsprechend versucht, die Kontrolle über ihre Reproduktionsarbeit zu gelangen.

Wir sehen also: Durch die Hausarbeit werden Stunden über Stunden an unbezahlter Arbeit verrichtet, die auf gesamtgesellschaftlicher Ebene auf den Schultern von Frauen ausgetragen wird.

Doch nicht nur das: Frauen werden häufig in gewisse Berufsbranchen wie den Pflege- oder Erziehungssektor gedrängt, in denen sie zum einen wieder die Reproduktionsarbeit leisten, aber zudem auch unterbezahlt werden. Hinzu kommt, dass viele Frauen sich in prekären Arbeitsverhältnissen befinden, in denen sie nur eine Teilzeitstelle oder einen Minijob haben. Grund für diese Arbeitsverhältnisse ist nicht selten, dass Frauen die Reproduktionsarbeit im eigenen Haus aufgebürdet wird – oder schon allein die Annahme, dass Frauen sich im Laufe ihres Lebens, um die Erziehung zukünftiger Kinder kümmern werden. All das bringt unzählige Frauen in enorme Abhängigkeitsverhältnisse – sei es die Abhängigkeit vom Staat oder von einem Partner.

Der Überbau auf der anderen Seite beschreibt all die Ideen und Konzepte, die benötigt werden, um genau diese Basis aufrecht zu erhalten. Hierzu gehört unser Verständnis von Moral, das traditionelle Familienbild – aber auch die Unterdrückung verschiedener Personengruppen. Durch diese Unterdrückung wird versucht, eine Spaltung zu generieren, Personengruppen kleinzuhalten und auszugrenzen, wenn sie nicht in das Bild dieser Gesellschaft passen. Hierunter könnten wir klar den Sexismus gegen Frauen verordnen, aber auch natürlich die Unterdrückung von LGBTI+ – den Heterosexismus. Wir sind diesem System ein Dorn im Auge, weil wir mit unserer bloßen Existenz das traditionelle Familienbild (auch bürgerliche Kleinfamilie genannt) und die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung in Frage stellen, die ein klares Produkt des Patriarchats sind. Deshalb wird versucht, uns an den Rand der Gesellschaft zu drängen, unsere Existenz wird geleugnet und wir werden patriarchaler Gewalt ausgesetzt.

Das Fazit dieser Analyse muss also sein, dass es einen qualitativen Unterschied zwischen den Konzepten von Unterdrückung, z.B. der Unterdrückung von LGBTI+, und Ausbeutung gibt: Erstere befindet sich im Überbau, letztere in der ökonomischen Basis. Diese Unterscheidung hört sich im ersten Moment abstrakt an, sie ist aber mehr als eine theoretische Gedankenspielerei. Nur eine Analyse der realen Bedingungen ermöglicht es uns, die richtigen Schritte im Kampf um Befreiung zu gehen. Schmeißen wir einfach alles Leid, dass das Patriarchat anrichtet, in einen Topf, verlieren wir den Blick für die konkreten Punkte, bei denen wir mit unserem Kampf ansetzen müssen. Deshalb verwenden wir auch nicht den Begriff FLINTA*.

LGBTI+ und Frauen im Bündnis gegen das Patriarchat

Genau diese Fragen müssen wir uns jetzt stellen: Wie führen wir den Kampf gegen das Patriarchat?

Aus der Analyse ergeben sich für uns vor allem zwei Schlussfolgerung. Zum einen: die tiefliegende Ausbeutung von Frauen erfordert die eigenständige Organisierung der Frauen und einen gezielten Frauenkampf. Das bedeutet auch, Kampftage für den Frauenbefreiungskampf zu schaffen. Jedoch sind es nicht nur Frauen, die sich mit dem Frauenbefreiungskampf identifizieren können. Hierfür wenden wir das Konzept der Selbstidentifikation an: All diejenigen, die sich mit dem Frauenbefreiungskampf identifizieren können, sind auch Teil dessen. Beispielsweise könnte dies für eine nichtbinäre Person zutreffen, die im Patriarchat in die Rolle der Frau gedrängt wird und der patriarchalen Ausbeutung einer Frau ausgesetzt ist.

Die andere Schlussfolgerung heißt für uns: der Kampf gegen das Patriarchat wird genauso von LGBTI+ geführt – Hand in Hand mit dem Frauenbefreiungskampf. Auch hier ist eine eigenständige Organisierung, sowie autonome Kampftage von Notwendigkeit. Der LGBTI+- und Frauenbefreiungskampf sind jedoch keinesfalls isoliert voneinander zu betrachten. Beide Kämpfe richten sich mit einem klaren Ziel aus: das Patriarchat zu zerstören. Beide Kämpfe müssen daher unbedingt Hand in Hand in einem engen Bündnis geführt werden.  Nur so wird diesen Kämpfen eine neue Qualität verliehen. Dies heißt es natürlich auch in die Praxis umzusetzen, beispielsweise indem wir auch die Frauen in den Reihen unserer LGBTI+ Organisation für den Frauenkampf mobilisieren, die Notwendigkeit eines gemeinsamen Kampfes von Frauen und LGBTI+ deutlich machen, patriarchales Verhalten auch unter LGBTI+ bekämpfen und Unterstützungsarbeiten für den Frauenbefreiungskampf leisten.

Wir wollen nun aus unserer theoretischen Analyse, Praxis für den 8. März folgen lassen. Hierfür müssen wir erkennen, dass eine Notwendigkeit darin besteht, dass Frauen Tage gezielt für den Frauenbefreiungskampf beschreiten – wie den 8. März. Genauso brauchen LGBTI+ eigenständige Kampftage, unter denen der Kampf gegen den Heterosexismus konkret wird, wie beispielsweise der Trans Day of Remembrance oder Stonewall. Durch Bezeichnungen wir „FLINTA-Kampftag“ oder „Feministischer Kampftag“ verwässern wir den Fokus. Deshalb steht für uns als Organisation klar fest, dass wir den 8. März als Internationalen Frauenkampftag begreifen müssen, an dem wir als Bündnispartner:innen eine unterstützende Rolle spielen werden. Es ist ein Tag an dem wir das Bündnis von LGBTI+ und Frauen konkret werden lassen wollen. Ein Tag, an dem wir die geballte Kraft der LGBTI+ Frauen auf die Straße tragen wollen. Aktionen, bei denen wir die Stimmen von Ivana Hoffmann, von Ella Nik Bayan oder Marsha P. Johnson sein werden und dem Patriarchat den Kampf ansagen!

Deshalb sagen wir „Frauen heraus zum 8. März!“

Aktionen in euren Städten findet ihr hier:

Frankfurt 20 Uhr Hauptwache
Berlin 17 Uhr Spreewaldplatz
Leipzig 16 Uhr Augustusplatz
Duisburg 17:30 Uhr Forum
Hamburg 17 Uhr Berliner Tor


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