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LGBTI+ feindliche Gesetze auf dem Vormarsch – Ein Blick nach Ostafrika

Schlag auf Schlag treffen LGBTI+ feindliche Gesetze die Menschen in verschiedenen ostafrikanischen Staaten. Egal ob Tansania, Uganda, Somalia oder Eritrea; LGTBI+ werden unter Strafe gestellt, verhaftet, durch staatliche Institutionen geleugnet, auf der Straße angegriffen. Besondere internationale Beachtung fand der „Anti-Homosexuality Act“ vor knapp einem Jahr, in Uganda. Doch woher kommen diese Tendenzen? Und wie sieht die Lage von LGBTI+ Personen in den betroffenen Ländern aus?

Kolonialisierung und ihre Folgen

Ein bedeutender Grund für die heutigen Gesetze ist die Kolonialisierung Afrikas durch die europäischen Kolonialmächte. In Ostafrika waren besonders Großbritannien, Italien und das Deutsche Reich präsent. In der sogenannten „Kongokonferenz“ 1884 bis 1885 sicherte sich Großbritannien die Vorherrschaft in der Region. Besonders der Anbau von Ressourcen wie Baumwolle war nützlich für die Produktion in den Kolonialstaaten, doch die Kolonialherren beuteten nicht nur die Ressourcen der Region aus, sie unterdrückten und ermordeten auch die Bevölkerung. Um ihre Herrschaft zu sichern benötigten sie in den kolonialisierten Gebieten auch Strukturen, welche die Infrastruktur anleiteten oder andere staatliche Aufgaben übernahmen. So wurden häufig Gesetze, welche in den Kolonialstaaten, galten auf die Kolonien übertragen. Durch eine Vielzahl an bewaffneten Aufständen konnten sich die ehemaligen Kolonien meist im Laufe des 20. Jahrhunderts formell befreien. Uganda erlangte beispielsweise erst 1962 staatliche Unabhängigkeit von Großbritannien, doch die wirtschaftliche Abhängigkeit von den ehemaligen Kolonialmächten in der Region blieb bis heute bestehen. Neben den wirtschaftlichen und politischen Abhängigkeits- und Ausbeutungsverhältnissen blieben auch andere Relikte der Kolonialzeit bestehen, beispielsweise LGBTI+ feindliche Gesetze.

Viele Gesetze, die heute existieren, sind also aus der Kolonialzeit übertragen worden, doch verschiedene Länder verschärfen diese Gesetze aktuell immer mehr. So wurde im Mai 2023 wurde der sogenannte „Anti-Homosexuality Act“ in Uganda verabschiedet. Durch dieses Gesetz werden homosexuelle Handlungen mit lebenslanger Haft und versuchte homosexuelle Handlungen mit 10 Jahren Haft belegt. Die wiederholte Verurteilung von homosexuellen Handlungen und Fälle von „schwerer“ Homosexualität können sogar eine Todesstrafe mit sich ziehen. Genauso kann die Unterstützung von LGBTI+ Rechten und der sexuellen Selbstbestimmung mit bis zu 20 Jahren Haft geahndet werden. Hierunter fällt jegliche Informationskampagne zu Homosexualität oder die finanzielle Unterstützung von Organisationen, welche Bildungsarbeit zu diesem Thema leisten. Außerdem wird die Pflicht beschrieben, dass alle Mitwissenden dies behördlich melden müssen, da sie sonst auch mit einer Haftstrafe von bis zu fünf Jahren bestraft werden können. Doch warum finden diese Verschärfungen genau jetzt statt?

Für eine vollständige Antwort müssten die Bedingungen in den einzelnen Staaten tiefgehend analysiert werden. Grundsätzlich lassen sich in der Argumentation jedoch zwei Tendenzen erkennen, welche mal nebeneinander, mal unabhängig voneinander genutzt werden. Einerseits gibt es den Versuch durch religiöse Einflussnahme restriktive Gesetze einzuführen.  So gibt es auch heute den Versuch europäischer und amerikanischer Missionare, ihre evangelikalen und reaktionären Argumente in den Massen zu verbreiten. Gerade die evangelikale Bewegung aus den USA hat einen großen Einfluss auf religiöse Gemeinden in einigen Ländern. Doch auch die lokalen religiösen Führer, Regierungen und reaktionäre Parteien nutzen ähnliche Argumente, wenn sie vom Überleben des Volkes, der Bedeutung von der bürgerlichen Kleinfamilie und dem Erhalt der öffentlichen Ordnung reden. Sie sehen also LGBTI+ als Gefahr von innen, vor der sie den bürgerlichen Staat und das religiöse Leben schützen müssen. Auf der anderen Seite wird auch argumentiert, dass LGBTI+ Themen ein Import aus europäischem oder nordamerikanischem Raum sind, welche Versuchen die „eigentliche afrikanische Identität“ zu untergraben und die Abhängigkeitsverhältnisse aufrecht zu erhalten. Hier sind LGBTI+ eine Gefahr von außen, vor der sich geschützt werden muss. Teilweise nutzen auch vermeintlich progressive Kräfte diese Erzählungen in ihrer antiimperialistischen Rhetorik. Insgesamt werden solche Argumente angebracht um die Aufmerksamkeit von drängenden sozialen und wirtschaftlichen Problemen abzulenken. Dies lässt sich daran erkennen, dass die Gesetze meist dann erlassen werden, wenn sich die Klassenwidersprüche verstärken. Der Bourgeoisie nützt diese patriarchale Herrschaft auf zwei Ebenen, einerseits wird die geschlechterspezifische Arbeitsteilung aufrechterhalten und intensiviert. Durch die kostenlose Reproduktionsarbeit der Frau, kann der Wert der Arbeitskraft gedrückt werden. Die Kosten welche die Kapitalisten aufbringen müssen sinken also, da sie weniger Mittel dafür bereitstellen müssen, dass die Arbeiter:innen jeden Tag erneut ihre Arbeitskraft verkaufen können. Andererseits spaltet der Heterosexismus auch die Klasse weiter, indem LGBTI+ als Sündenbock genutzt werden. Dadurch kann ein direkter Zusammenschluss der Unterdrückten unterbunden und erschwert werden.

Auswirkungen dieser Gesetze

In Uganda gab es zwar schon vor dem neuen Gesetz Verhaftungen von Homosexuellen, jedoch lässt sich ein Anstieg seit der Gesetzeseinführung erkennen. Auch ein Rückgang von LGBTI+ Gruppen und Organisationen, welche Bildungsarbeit zu dem Thema machen, zeigt sich bereits. Chatgruppen & Blogs werden aufgelöst oder durch staatliche Stellen überwacht. Außerdem wurde der Druck durch das eigene Umfeld noch mehr verstärkt. Bereits 2015 gaben jeweils 95% der Befragten an, dass sie homosexuelle Verwandte, Geschwister oder enge Freunde anzeigen würden, diese Zahl hat sich seitdem nochmals erhöht. Ein weiterer Punkt, der nicht vernachlässigt werden darf, ist die Verbindung von HIV/AIDS und LGBTI+. Die Zahl der HIV-positiven in der gesamten Bevölkerung liegt bei 6%, während die Krankheitsrate bei Männern, welche mit gleichgeschlechtlichen Partnern Sex haben, bei 13,7% liegt. In der öffentlichen Debatte wurde anfangs die Möglichkeit von AIDS-Erkrankungen bei LGBTI+ Personen, im Besonderen bei homosexuellen Männern geleugnet. Durch das Verbot von Bildungsstellen und Vernetzungsgruppen lässt sich hier auch ein erneuter Anstieg in den Fällen erwarten. Das Gesundheitsministerium in Tansania hat beispielsweise Organisationen verboten, Öffentlichkeitsarbeit zur HIV-Prävention durchzuführen. Das Ministerium schloss also Anlaufzentren, die HIV-Tests und andere Dienste anbieten, und behauptete, dass diese Zentren an „Aktivitäten zur Förderung der Homosexualität“ beteiligt seien. In Ruanda werden regelmäßig besonders junge Menschen von den Behörden inhaftiert, meist sind es obdachlose Jugendliche und junge Erwachsene, welche aufgrund ihrer LGBTI+ Identität aus ihrem Umfeld verstoßen wurden. Wir sehen also wie die Jagd auf LGBTI+ durch die staatlichen Institutionen geleitet wird, doch auch in der breiten Bevölkerung findet diese Hetze Anklang. Es wird immer wieder von Angriffen in der Öffentlichkeit und im familiären Umfeld berichtet. Wir sehen also, dass die Einführung und Beibehaltung der LGBTI+ feindlichen Gesetze verehrende Auswirkungen auf das tägliche Leben hat.

Diese Tendenz lässt sich jedoch nicht nur in den ostafrikanischen Ländern erkennen, weltweit spitzt sich die Lage für uns zu, egal ob in Kamerun, Türkei, Russland, Ghana oder auch in Ungarn, die Angriffe auf uns nehmen nicht ab, LGBTI+ Feindlichkeit wird immer wieder eingesetzt, um von den, sich tatsächlich zuspitzenden Klassengegensätzen abzulenken. So sehen wir momentan die Einführung eines Gesetzes in Ghana, welches ähnlich wie in Uganda, LGBTI+ Personen und besonders Organisationen angreift.  Doch wir können auch sehen, dass der Widerstand immer größer wird. So gibt es Gruppen, die trotz Verbote für ihre Rechte und für ihr Überleben kämpfen. Mit diesen Organisationen müssen wir uns auch hier solidarisieren, denn wir können sehen, dass sie gerade starken Angriffen ausgesetzt sind. Das liegt daran, dass der Zusammenschluss von LGBTI+ Personen eine besondere Schlagkraft entwickeln kann, welche die bürgerliche Ordnung tatsächlich ins Wanken bringt. Wir müssen also besonders die organisierten Kämpfe unterstützen, ihre Forderungen nach außen tragen und für eine tatsächliche Befreiung von LGBTI+ überall auf der Welt kämpfen. Dafür müssen wir auch hier, im imperialistischen Zentrum, gegen unsere Unterdrücker ankämpfen. Sei es bei Aktionen gegen den Einfluss der reaktionären religiösen Gemeinden oder auch bei aktuellen Protesten, beispielsweise gegen die bereits erwähnte Gesetzesänderung in Ghana. Hier gilt es unsere Solidarität praktisch werden zu lassen, denn internationale Solidarität ist unsere größte Waffe!


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